Historie
Wer sich in der heutigen Zeit mit dem Thema “Shanties, Songs und Seemannslieder” befassen möchte, kommt an Stan Hugill nicht vorbei.
Für die „lustige Teerjacke“, Janmaat, “den Mann vor dem Mast“ – für den einfachen Matrosen war dieses Leben kurz, einsam und freudlos, wenn man von drei Dingen absieht : dem gelegentlich fürchterlichen Besäufnis, den Mädchen in der Hafenstadt und dem immer gegenwärtigen Trost seiner Lieder. Also sang der Seemann seine Shanties : kurze, abgehackte, lautmalerische Gesänge, die seiner Arbeit den Rhythmus geben sollten, oder längere, balladenartige Lieder, mal frech, mal lustig, mal sehnsüchtig und voller Verlangen.
Die Blütezeit der Shanties
Die eigentliche Blütezeit der Shanties und Seemannslieder beginnt mit dem 19. Jahrhundert. Nach dem Ende der napoleonischen Kriege und mit dem Beginn der Industriellen Revolution wurden Europa und Amerika nach dem Streben von Schnelligkeit ergriffen. Der amerikanische Goldrausch verstärkte das Verlangen nach immer schnelleren Schiffen. Erste Liniendienste wurden eingerichtet.
Das ging zusammen mit mehr und mehr durchorganisierten Arbeitsabläufen an Bord. Und dazu brauchte der Seemann die den Arbeitsvorgang unterstützenden Gesänge, die von dem Shantyman, dem Arbeitseinsatz angepasst, angestimmt wurden.So entwickelten sich Shanties an der Ankerwinde (Capstan), zum Heißen der Segel (Fall -/ Halyardshanties), zum Ziehen von Tauen über das Deck (Walkawayshanties), zum Bedienen der Pumpen (Pumpingsongs) und die Forebitters, die von den Matrosen auf den so genannten Forebitts (Poller) sitzend, aus Zeitvertreib oder Freude am Gesang gespielt und gesungen wurden.
Die Shanties, die von Stan Hugill original zusammen getragen wurden, stammen aus fast allen seefahrenden, europäischen Ländern und natürlich aus Amerika.Während Hugill nur die Melodie und den Text aufführte, finden sich später in maritimen Liederbüchern bearbeitete Fassungen, die das Spielen und Singen erleichtern sollen. Dass bei Vergleichen Melodie und Text sich oft erheblich unterscheiden, liegt an den unterschiedlichen Quellen, aus denen die Lieder stammen. Denn viele wurden in ihrer Zeit von Schiff zu Schiff weitergereicht und immer wieder verändert. Unstrittig ist, dass die arbeitsunterstützenden Gesänge als originäre Shanties anzusehen sind. Aber spätestens dann scheiden sich die Geister. Lieder, wie Shenandoah, The yellow rose of Texas, The Ebenezer oder der Hamborger Veermaster sind Lieder dieser Zeit. Sie erzählen Geschichten von Liebe und Leid, Abschied und Wiederkehr, Vorgängen an Bord oder an Land, von den Ozeanen und aus fremden Ländern. Viele dieser Lieder haben mit Seefahrt überhaupt nichts zu tun. Dennoch werden sie als Shanties (Forebitters) akzeptiert, weil sie ein Produkt ihrer Zeit sind. Wären die Matrosen heute mit solchen Schiffen unterwegs, sie würden sicherlich Lieder unserer Zeit mitbringen.
Das Akkordeon
Nun ist es sicher irrig zu glauben, dass der Shantyman, wenn´s an die Arbeit ging, erst sein Schifferklavier rausholte. Hier wurde a capella gesungen und damit auch Druck gemacht. Anders bei den Forebitters. Da wurde auch musiziert und zwar mit allen Instrumenten, die zur Verfügung standen (Schifferklavier, Fiddle, Banjo, Trommeln etc.) Der oft erhobene Anspruch, das Akkordeon sei bei der Seemannsmusik das einzig vertretbare Instrument ist daher schlicht unsinnig. Genau so unsinnig ist es anzunehmen, dass die Seeleute ständig drei- und vierstimmig gesungen haben.
Die Musik der Bodensee-Shantymen
Die Bodensee Shantymen sehen sich verpflichtet, eine Musik anzubieten, die der Tradition entspricht und aus dem riesigen Angebot der Seemannslieder die auszuwählen, die uns Freude geben und unser Publikum ansprechen. Ausverkaufte Sääle sind das schöne bei unseren Konzerten.Und da wir nun mal am Bodensee zu Hause sind, müssen auch Lieder aus der Region dabei sein. In unserem Repertoire sind im Augenblick über 100 Lieder, von denen etwa 20 Prozent in Englisch sind. Da viele unserer Zuhörer der englischen Sprache nicht mächtig sind, wird der Inhalt dieser Lieder vorher erläutert. Wir haben zurzeit 23 Sänger und Musiker, die mit viel Schwung und Engagement dabei sind. Zwei Akkordeons, zwei Gitarren, E-Bass, Congas, Dudelsack, Geige, Mundharmonika, Schlagzeug und verschiedene „Räppelchen“, die nach Bedarf eingesetzt werden, bilden das instrumentale Rückgrat. Sänger und Instrumente sind bei unseren Konzerten und Auftritten voll durchmikrophoniert und bilden dank einer erstklassigen Gesangsanlage einen klaren und druckvollen Sound. Aus unserem Repertoire sind etwa 80 Lieder auf CDs zu hören. Und wenn wir uns heute etwas wünschen dürfen so wäre unser Anliegen, dass jüngere Sänger oder Musiker zu uns stoßen möchten, damit dieses herrliche Liedgut der Nachwelt erhalten bleibt und wir mit unserer Musik die Menschen noch lange erfreuen können.
Anmerkung :
Der Beitrag enthält Auszüge aus dem Buch „Windjammerlieder“ von Stan Hugill.